Sinzinger – Das Pöckinger Kaufhaus

Geschichte

  • 1865 Erbaut vom Schreinerehepaar Katharina und Michael Hanker
    Nutzung als Wohnhaus mit angeschlossener Schreinerwerkstat
  • 1878 Kauf durch Josef Unterberger
    Erneuerung des Wohnhauses, Neubau eines Gartensalons und Eröffnung eines „Kaufhaus für feine Waren“ für die Bewohner der damaligen Villenkolonie
  • 1909 Übernahme durch die Kaufleute Sinzinger
  • 1938 Einrichtung der ersten Tankstelle in Pöcking auf dem Grundstück
  • 1946 Übernahme durch Willi und Johanna Czasch
    Nutzung als Lebensmittelgeschäft und Kaufhaus
  • 1987 Umbau zum Restaurant

Spekulanten anno 1865

Beim Schreiner
1895

Die Geschichte des „Schreiner“-Hauses begann vermutlich als Spekulationsobjekt. Das Haus wurde 1865 erbaut, kurz danach etliche Male versteigert, zwischen 1870 und 1877 wechselte es fünfmal seine Besitzer, ehe es 1878 die Kaufleute Unterberger aus München erwarben. In deren Kaufhaus gab es feine Waren für die Bewohner der Villenkolonie, aber auch Heugabeln und Ochsenziemer für die Bauern im Dorf zu kaufen. 1909 übernahmen die Kaufleute Sinzinger aus Fürstenfeldbruck das Haus als Filiale. Das Kaufhaus Sinzinger eröffnete noch vor dem 2. Weltkrieg eine Tankstelle in Pöcking. Nach den Sinzingers übernahm die Familie Czasch 1946 das Geschäft. Sie führte das Kaufhaus bis zum Jahr 1989. Danach wurde der Laden zu dem Restaurant „Alte Kanzlei“ umgebaut. Der alte Hausname „Schreiner“ kam von den ersten Besitzern des Anwesens, die im Zuhause eine Schreinerwerkstatt eingerichtet hatten.

Alles fürs tägliche Leben

Eine Inventur im Jahr 1938 ergab, dass das Kaufhaus Sinzinger rund 8000 verschiedene Artikel feilbot: „Goaßlschnür, Kärdatsch (Kuhstriegel), Unterwäsche, Reis, Zucker in offenen Säcken, Kaffeersatz, Nägel in allen Größen, bis hin zu Waschmitteln, Schulbedarf und Zigarren.“ Es gab beim „Sinzinger“ alles, was man zum täglichen Leben und für die Arbeit brauchte. Und wichtig war, man konnte anschreiben lassen und sogar am Abend hintermrum und Sonntagvormittag einkaufen. An Kirchweih bekamen die guten Kunden eine Maß Bier geschenkt, die per Gutschein in einem der Dorfwirtschaften einzulösen war.

Sonntagsbrotzeit im Laden, während der Fahnenweihe der Stammschützen 1958

Große Geschäfte waren mit den Pöckinger Bauern allerdings nicht zu machen. Sie kauften das Nötigste wie Zichorie (Feigenkaffeegewürz) für ihren Muckefuck-Kaffee. Gerste (als Kaffeebohnenersatz) mahlen sie selbst zuhause. Essig, Öl, Petroleum, Zucker und diverse Kleinigkeiten, damit war der Einkauf schon getan.

„Das Pfund Mehl kostete 1938 26 Pfennige, ein Viertel Butter 88 Pfennige und eine Stange Zichorie 22 Pfennige. Ein Pfund guter echter Bohnenkaffee stolze 3,80 Reichsmark.“

Der Wochenlohn eines Maurers betrug damals 40–50 Reichsmark.

Der „Sinzinger“ belieferte in den Sommermonaten auch die Villenhaushalte, die meist per Telefon großzügig bestellten. Ausliefern mussten die Lehrlinge mit dem Fahrrad. Johanna Sulzmann (später verheiratete Czasch), die 1938 im Kaufhaus ihre Lehrstelle antrat, erinnert sich, wie weit die Wege zur Kundschaft nach Possenhofen oft wurden, wenn

„im Rucksack ein Dutzend Apfelsaftflaschen ins Kreuz drücken“.

Nach 1945 änderte sich – auch mit dem Zuzug der Neubürger – die Einkaufsgewohnheiten der Pöckinger Bauern. Es wurden nur mehr für den täglichen Bedarf eingekauft. Im Winter war der Laden nebenbei Nachrichtenbörse und Wärmestube. 1946 übernahm Johanna Sulzmann das Kaufhaus. Bis 1986 – wenige Jahre nach seinem 100jährigen Bestehen – führten Johanna und Ulrike Czasch das Geschäft.

Ulrike Czasch (links) und ihre Mutter Johanna (rechts)

Als Johanna auszog, räumt wurde, fanden sie im Lager noch einige „historische Bestände“ aus dem Gründungsjahr 1880, als das Kaufhaus Unterberger noch „Sinzinger“ (seit 1909), sondern Unterberger hieß.
E. Patrunky / L. Ott

Willi Czasch – Kaufmann und Flieger aus Passion

Das Zuhaus Fürter

Von diesem Haus gibt es keine Spuren mehr, nur mehr eine verwaiste Adresse: Hauptstraße 3. Es befand sich im Gartenbereich zwischen dem damaligen Restaurant „Alte Kanzlei“ und dem Anwesen „Gopperl“. Seine Geschichte begann 1865, als die Schreinerleute Michael und Katharina Hanker ihr Wohnhaus – am Platz des späteren Kaufhauses „Sinzinger“ – mit Werkstätte im Garten errichteten, und sie endete 1992 mit dem Abbruch des schmalen Gebäudes. Eine eigenständige Hausnummer bekam das Nebengebäude 1870, als der neue Besitzer, Alois Buetler, das große Wohnhaus „beim Schreiner“ verkaufte und das kleinere Zuhaus für sich umbauen ließ. Den heute noch bekannten Hausnamen „Zuhaus Fürter“ bekam es 1882, als der Schuhmacher Karl Fürter dort für 14 Jahre einzog. 1896 wurde das kleine Haus von den Besitzern des Kaufhauses Unterberger wieder zurückgekauft. Es gehörte zum Anwesen „Schreiner“ bis zu seinem Abbruch.
(L. Poelt)